„Brand im Mehrfamilienhaus, Menschenleben in Gefahr“. Bei diesem Stichwort zählt nur eins, so schnell wie möglich unter PA rein und vermisste Personen retten. Man kann aber auch einen anderen Weg gehen. Auf den ersten Blick benötigt der zwar mehr Zeit, beim zweiten Betrachtet erhöht er aber nicht nur die Sicherheit des vorgehenden Trupps, sondern verkürzt im Idealfall die Rettungszeit für Personen die im Brandrauch liegen.
Warum brauchen wir überhaupt einen Sicherheitstrupp?
Der Feuerwehrdienst, und allen voran die Brandeinsätze, gehören laut den Feuerwehr Unfallkassen zu den gefährlichsten Tätigkeiten. Atemschutzunfälle kommen zwar nicht so häufig vor, dennoch kommt es in regelmäßigen Abständen zu tödlichen Ereignissen wie die Atemschutzunfälle aus Tübingen, Göttingen und anderswo zeigen.
Aufgrund des hohen Risikos gibt es daher strenge Vorgaben die unter anderem einen Sicherheitstrupp fordern. Er ist das letzte Rettungsnetz über dem Boden und soll bei Problemen den Angriffstrupp unterstützen oder im Extremfall retten. So schreibt die Feuerwehrdienstvorschrift für Atemschutz (FwDV 7): „An jeder Einsatzstelle muss für die eingesetzten Atemschutztrupps mindestens ein Sicherheitstrupp (Mindeststärke: 0/2/2) zum Einsatz bereit stehen.“
Auch die „Unfallverhütungsvorschrift (UVV) Feuerwehren“ schreibt unter Paragraph 27 (3): „Je nach der Situation am Einsatzort muss ein Rettungstrupp mit von der Umgebungsatmosphäre unabhängigen Atemschutzgeräten zum sofortigen Einsatz bereitstehen“.
Daneben gibt es ausführliche Untersuchungsberichte zu tödlichen Atemschutzunfällen in Deutschland. Auch dort wird immer auf das Thema Sicherheitstrupp eingegangen. Spätestens hier müssen bei jedem von uns die Alarmglocken klingeln. Wenn wirklich etwas passiert, und sei es nur ein Unfall, wird im Nachhinein sehr genau auf das Vorhandensein eines Sicherheitstrupps geachtet.
Der Sicherheitstrupp ist somit keine Wunschoption die man vielleicht mal bereit stellt wenn genug Einsatzkräfte vor Ort sind. Er ist ein Muss, der zu fast jedem Atemschutzeinsatz dazu zählt.
Wann kann ich auf den Sicherheitstrupp verzichten?
Bei dieser Frage kommt immer ein Satz wie aus der Pistole geschossen: „Bei Menschenrettung kann ich von der UVV abweichen“. Und es stimmt, in bestimmte Situation sieht die UVV diesen Schritt logischerweise vor. Es ist aber ein Fehler die Vorschriften nur auf diesen Satz zu reduzieren und die zig-Seiten davor und danach größtenteils zu ignorieren. Wenn man genau hinschaut heißt der Satz: „Im Einzelfall kann bei Einsätzen zur Rettung von Menschenleben von den Bestimmungen der Unfallverhütungsvorschriften abgewichen werden“. Direkt davor steht allerdings auch ein wichtiger Satz: „Im Feuerwehrdienst dürfen nur Maßnahmen getroffen werden, die ein sicheres Tätigwerden der Feuerwehrangehörigen ermöglichen“ (§17(1) UVV Feuerwehren).
Die mögliche Abweichung bei Menschenrettung ist daher kein Freifahrtschein für alles unliebsame was man in der UVV gerne weglassen möchte. Aus diesem Grund schreibt die Unfallkasse Rheinland-Pfalz daher auch deutlich: „Nach abwägen der Risiken und Möglichkeiten, kann im Einzelfall bei einem Notstand von den UVV abgewichen werden, wenn Menschenleben gerettet werden“. Zudem weist die Unfallkasse darauf hin, dass man diese Ausnahme nicht als Basis für die Planung von organisatorischen Maßnahmen oder Ausrüstung verwenden darf. Wenn wir also als Verantwortliche grundsätzlich schon ohne Sicherheitstrupp planen oder unsere Ausrüstung nicht den Vorschriften entspricht, können wir diese Fehler auch nicht durch das Hintertürchen „Menschenrettung“ decken.
Was machen wir dann ohne Sicherheitstrupp?
Ich gehe mal davon aus, dass bundesweit bei einem Zimmer-/Wohnungsbrand irgendwas in der Größe eines Löschzuges alarmiert wird. Somit sollten letztendlich genug Einsatzkräfte vor Ort sein um mindestens einen Sicherheitstrupp zu stellen. Eins ist aber auch klar, häufig kommen die Fahrzeuge zeitversetzt an der Einsatzstelle an.
Gehen wir mal davon aus, dass wir zum Absuchen einer komplett verrauchten 3-Zimmer-Wohnung locker mal zehn bis fünfzehn Minuten benötigen. Inklusive Flur müssen wir ungefähr sieben Räumlichkeiten kontrollieren. Oftmals gehen wir hierbei durch die Eingangstüre der Wohnung vor und suchen dann Zimmer für Zimmer die Wohnung ab. Kommt dann noch die Brandbekämpfung dazu, sind 20 Minuten Einsatzdauer keine Seltenheit.
Tritt nun der Fall ein, dass das erste Fahrzeug an der Einsatzstelle ist und die Kräfte nicht für einen Sicherheitstrupp ausreichen, kann man die Zeit bis zum Eintreffen weiterer Kräfte sinnvoll nutzen. Kommt dann der Rest der Truppe, beginnt man erst dann mit einem gezielten Atemschutzeinsatz. Auch wenn auf den ersten Blick der Innenangriff um einige Minuten verzögert wird, so kann durch sinnvolle Erkundung und vorbereitende Maßnahmen die Menschenrettung verkürzt werden.
So nutzt Ihr die Zeit sinnvoll bis zum Innenangriff
Erkundung
Das A und O ist die Befragung der Bewohner des Gebäudes oder noch besser, Betroffene der Brandwohnung. Sie sollen Euch genau beschreiben wo der letzte bekannte Ort oder der normale Aufenthaltsort der vermissten Person ist und wir Ihr dort hin kommt. Wenn die Blase drückt macht Ihr das im Restaurant ja in der Regel auch so. Ihr könnt entweder auf eigene Faust das Klo finden oder ihr fragt kurz die Bedienung oder Euren Kumpel nach dem Weg. Das geht Ruck Zuck und bringt Euch schneller ans Ziel.
Ist kein Ansprechpartner vor Ort, dann versucht von außen das Gebäude zu erkunden und setzt einen Schwerpunkt für das Angriffsziel des Angriffstrupp. Sind Kinderschuhe im Gang und hat ein Fenster bunte Aufkleber auf den Scheiben, ist dort vermutlich das Kinderzimmer. Der Balkon mit Balkontür führt in der Regel ins Wohnzimmer, nachts würde ich in diesem Zimmer also nicht als erstes Suchen sondern mich auf die Schlafräume konzentrieren. Fenster mit Milchglas weisen auf ein Bad hin, kleine enge Fenster auf eine Toilette. Eine weitere Möglichkeit: Häufig sind die Wohnungen in einem Gebäude gleich aufgebaut. Schaut Euch die Wohnung im Erdgeschoss von außen oder innen an und Ihr wisst wie die Wohnungen darüber geschnitten sind.
Zugang Wohnungstür
Bereiche die rauchfrei sind können durch die Mannschaft betreten werden um alles Notwendige für den Innenangriff vorbereiten. Liegt die Schlauchleitung schon fix und fertig mit Wasser gefüllt und entlüftet vor der Wohnungstür? Wie öffnet man die Wohnungstür? Sitzt der Rauchvorhang? Das sind Fragen und Tätigkeiten die man schon mal Vorbereiten kann ohne den Angriffstrupp in den Innenangriff zu schicken.
Zugang Fenster
Bevor man sich standardmäßig durch die verrauchte Wohnung quält und jeden Raum stupide Schritt für Schritt abarbeitet, kann man auch direkt übers Fenster den Angriff vorbereiten. Habt Ihr im vorhergehenden Schritt den Raum mit der höchsten Aufenthaltswahrscheinlichkeit ausfindig gemacht, kann von außen die Erkundung starten und alles für den Innenangriff vorbereiten werden. Neben dem Blick durchs Fenster kann das auch schon die Zerstörung der Scheiben sein. Das verbessert auch die Bedingungen für eingeschlossene Personen im Zimmer. Zudem kann der Angriffstrupp unter PA von außen schon mal in den Raum schauen und rein rufen um herauszufinden ob sich darin Personen aufhalten. Mit Hilfe der Wärmebildkamera (WBK) hat er dann auch gleich einen Eindruck vom Raum.
Hintergrundarbeiten
Daneben kann man auch viele Maßnahmen ergreifen die einem anschließend einen Zeitvorteil verschaffen. Der Lüfter ist in Bereitstllung und die Wasserversorgung aufgebaut. Der Rettungsdienst steht mit Trage und kompletter Ausrüstung in der Nähe des Zuganges damit er sofort mögliche Patienten versorgen kann. Ein Einweiser kann schon an der Straße stehen und den Sicherheitstrupp sofort Richtung Einsatzstelle schicken.
Mit diesen Maßnahmen wird man natürlich keine fünfzehn Minuten überbrücken können. Die Beispiele zeigen aber, dass die paar Minuten bis zum Eintreffen des Sicherheitstrupps sinnvoll und ohne Risiko für den Angriffstrupp genutzt werden können und die Maßnahmen letztendlich auch dem Patienten in der Brandwohnung zu Gute kommen.
Wie setzt man das Ganze jetzt um?
Eins ist klar, wir Freiwillige Feuerwehren haben oftmals Probleme genügend Personal an die Einsatzstelle zu bringen. Auch im hauptamtlichen Bereich sieht es bei kleineren Feuerwehren nicht besser aus.
Was mich aber viel mehr stört: Viele aus Mannschaft und Führung sehen einen fehlenden Sicherheitstrupp sehr entspannt und man beschäftigt sich nicht großartig mit diesem Problem. Denn, „bei der Menschenrettung kann ich ja eh rein gehen“.
Ich hoffe, dass man sich zukünftig mehr darüber Gedanken macht und gründlich abgewogen wird ob man den Angriffstrupp einfach so reinschickt. Natürlich wird es in Einzelfällen die Notwendigkeit geben, dass wir unter hohem Risiko eine Menschenrettung durchführen müssen und dabei einen Teil der Vorschriften hinten anstellen. Das ist dann aber die absolute Ausnahme wenn alle anderen Mittel ausgeschöpft sind und darf nicht unser Standardvorgehen sein.
Ziel sollte es sein durch eine gute Erkundung und Vorbereitung die Zeit ohne Sicherheitstrupp so gut wie möglich zu nutzen. Der höhere Zeitaufwand den man hierfür investiert, sollte sich anschließend bei einer kürzeren Personensuche auszahlen.
Es geht nicht darum Heldenhaft und von Aktionismus getrieben in die Brandwohnung zu rennen, sondern überlegt und möglichst sicher den betroffenen Personen zu helfen. Davon haben nicht nur unsere Kunden etwas, sondern auch wir Feuerwehrleute selbst.
[poll id=”18″]
Inspiriert zu diesem Beitrag wurde ich von einer Lehrkraft der Niedersächsischen Akademie für Brand- und Katastrophenschutz in Celle. Er hatte in einer Diskussion Ideen genannt, wie man die Zeit bis zum Eintreffen des Sicherheitstrupps sinnvoll überbrücken kann.