Die RescueDays 2014 Teil 2 – alles rund um die moderne Fahrzeugtechnik
Der zweite Tag der Rescue Days in Heitersheim steht wie gewohnt ganz im Zeichen der Praxis. Wir möchten einen der Themenschwerpunkte, die moderne Fahrzeugtechnologie, aufgreifen und euch ein paar Eindrücke aus den Stationen „moderne Fahrzeugtechnik“ und „Geräteeinsatz an modernen KFZ“ mitgeben.
Als erstes möchten wir euch eine Variante der „großen Seitenöffnung“ vorstellen. Bei der großen Seitenöffnung werden Vorder- und Hintertür sowie die B-Säule entfernt, um ein seitliches Retten der Insassen zu ermöglichen.
Die Anwendung der großen Seitenöffnung
Als erstes wird die Hintertür schlossseitig geöffnet. Bei diesem Schritt gibt es mehrere mögliche Methoden und sollte deshalb lageabhängig beurteilt werden. Beachtet werden sollte dabei, dass beim Öffnen der Tür mittels Spreizer die passenden Ansatzpunkte an der Tür gefunden werden müssen. Ansonsten kann es zu einem Abschälen der Türaußenhaut kommen und wertvolle Zeit geht verloren. Im nächsten Schritt gilt es die B-Säule möglichst nahe am Dach zu durchtrennen. Gerade bei kleineren Rettungsscheren empfiehlt es sich, die Fensterführungen der Vorder- und Hintertür zu entfernen. Dies ist mit minimalem Zeitaufwand getan und der Einsatz der Rettungsschere an der B-Säule wird erleichtert, da diese die Säule näher am Bolzen durchtrennen kann und somit eine höhere Schneidleistung zur Verfügung steht. Auch sollte die Rettungsschere aus Richtung der Hintertür angesetzt werden, da die Schere weiter schließen kann bevor sie ans Material kommt und somit auch wieder eine höhere Schneideleistung erreicht.
Im Anschluss daran wird mittels Rettungszylinder die B-Säule nach außen gedrückt. Ein Ansatzpunkt des Rettungszylinders ist dabei die Gurtpeitsche auf der Rücksitzbank, da diese an einem massiven Bauteil angebracht ist. Die Höhenverstellung des Sicherheitsgurtes bietet sich als Ansatzpunkt an der B-Säule, da auch diese verstärkt ist. Der Rettungszylinder wird soweit ausgefahren, bis ein ausreichend großer Spalt an den Scharnieren der Vordertür entstanden ist, um dort den Spreizer anzusetzen. Ist der Spreizer dort angesetzt, wird dieser soweit ausgefahren, bis der Rettungszylinder entlastet ist. Der entlastete Zylinder wird nun zwischen Dach und B-Säule angesetzt, um die komplette Seite in Richtung Boden zu drücken. Zeitgleich wird mit dem Spreizer der vordere Teil Richtung Boden gedrückt.
Nun ist eine Öffnung entstanden, die eine Rettung der Insassen über die Seite erlaubt. Lassen es die Bedienungen des Patienten zu, so kann mittels Spreizer noch die B-Säule am Schweller abgerissen werden und die beiden Türen samt B-Säule lassen sich vollständig vom Fahrzeug entfernen.
Moderne Fahrzeugtechniken
Benutzt man die Bezeichnung „moderne Fahrzeugtechnik“ denken viele Feuerwehrleute direkt an Dinge wie alternative Antriebe und Fahrzeuge mit unzähligen Airbags. Doch auch die Fahrzeugkarosserie an sich spielt eine bedeutende Rolle in der Menschenrettung aus modernen Fahrzeugen. Dabei besteht eine solche Karosserie aus einer Mischung der unterschiedlichsten Stähle: vom einfachen Blech bis hin zum ultrahochfesten Stahlrohr. Doch wozu dienen diese extrem festen Materialien und wo sind sie im Fahrzeug anzutreffen?
Wo befindet sich die Verstärkungen im Fahrzeug?
Die meisten Verstärkungen befinden sich auf der Fahrer- und Beifahrerseite eines Fahrzeuges und sollen den Insassen möglichst viel Schutz bei Seitenaufprällen und Überschlägen bieten. Im Fahrzeugboden verlaufen zwischen den Fahrzeugsäulen jeweils Verstärkungen, die zum einen dem Fahrzeug Stabilität verleihen und zum anderen die bei einem Seitenaufprall einwirkenden Kräfte ableiten. Diese Verstärkungen stören uns in den meisten Fällen nicht, bieten uns allerdings mögliche Ansatzpunkte für Spreizgeräte. Die B-Säule hingegen hat eine zentrale Bedeutung in der Fahrzeugkonstruktion. Sie muss ausreichend dimensioniert sein, um einen Schutz gegen die extremen Kräfte eines Seitenaufpralls sowie eines Fahrzeugüberschlags bieten zu können. Eine moderne B-Säule bereitet zum einen Probleme durch ihre Ausmaße und zum anderen durch massive Verstärkungen. Diese Verstärkungen werden erreicht durch hochfeste Stähle, die Bündelung mehrerer Bleche oder das Einbringen eines Stahlrohrs. Des Weiteren befindet sich an der B-Säule die verstärkte Aufnahme der Höhenverstellung für den Sicherheitsgurt, die ein Scheiden der Säule negativ beeinflussen kann.
Bei Karosserieformen ohne B-Säule, beispielsweise bei einem Coupé, ist mit einer verstärkten A-Säule zu rechnen, da diese die fehlende B-Säule kompensieren soll und somit die Kräfte eines Fahrzeugüberschlags aufnehmen muss. Auch hier ist wieder mit der Verwendung von hochfesten Stählen, der Bündelung von mehreren Blechen oder der Einbringung eines Stahlrohrs zu rechnen. Unter Umständen kann dies auch auf die C-Säulen zutreffen.
Auch die Fahrzeugtüren spielen eine wichtige Rolle im Seitenaufprallschutz und sind somit ebenfalls verstärkt. Hier sind häufig Verstrebungen im Inneren der Türen verbaut, die besonders den Beckenbereich der Insassen schützen sollen. Durch diese Verstrebungen sind die Türen sehr widerstandsfähig und es kann bei falschem Einsatz der Rettungsgeräte dazu kommen, dass sich die Außenhaut der Tür abschält, das Türgerüst allerdings unverändert intakt bleibt.
Wichtig für den Einsatz an modernen Fahrzeugen ist neben den entsprechend dimensionierten Rettungsgeräten auch die Nutzung von fahrzeugspezifischem Wissen. Rettungsdatenblätter zeigen neben den Einbauorten von Airbags und Batterien auch die verstärkten Karosseriekomponenten der Fahrzeuge an. Das Umgehen solcher Stellen und alternative Methoden sollten in die Einsatztaktik mit aufgenommen werden, um von vorne herein möglichen Problemen zu entgehen.
Die ergonomische Handhabung von Rettungsgeräten
Zum Schluss möchten wir euch nun noch ein paar Tipps in der Handhabung der Rettungsgeräte mitgeben. An den Rettungsgeräten befinden sich bis auf wenige Ausnahmen immer ein Griff und ein Bedienelement. Eine Hand bleibt am Bedienelement um das Gerät zu führen und die andere Hand hält und lenkt das Gerät am Griff. Sollen nun mit dem Rettungsgerät Arbeiten auf Knie- oder Hüfthöhe durchgeführt werden, so wird das Rettungsgerät mit beiden Händen, eine am Griff und eine am Bedienelement, gehalten. Bei dieser Handhabung sind die Arme in der Regel ausgestreckt, wodurch die Anstrengung in den Armen nicht so groß ist.
Das Rettungsgerät wird wie ein Baby im Arm gehalten, wenn Arbeiten auf Brusthöhe verrichtet werden sollen. Während mit einer Hand am Bedienelement das Gerät bedient wird, liegt das Rettungsgerät vollständig auf dem anderen Arm und wird durch diesen gehalten. Bei dieser Haltung wird das Gewicht des Rettungsgerätes auf dem gesamten Arm verteilt und punktuelle Belastungen des Körpers vermieden.
Für Arbeiten auf Schulter- und Kopfhöhe wird das Rettungsgerät in die eine Hand gelegt während die andere Hand am Bedienelement anfasst. Dies hat den Vorteil, dass das Gerät auch in Kopfhöhe kontrolliert bedient werden kann.
Die Handhabung und der richtige Umgang mit den Rettungsgeräten kann die körperliche Belastung des Geräteführers senken und somit deutlich zum Einsatzerfolg beitragen.
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