Wie schnell muss eigentlich in einem Industrie- und Flächenland wie den USA die Feuerwehr vor Ort sein? Wir haben uns mal die Vorgaben angeschaut und mit Deutschland verglichen.
Heute bin ich über ein Dokument namens NFPA 1720 gestolpert. Klingt nicht gerade spannend, ist es aber. Es beschreibt unter anderem die Zielvorgaben für ehrenamtliche und gemischte, also hauptamtliche und ehrenamtliche, Feuerwehren in den USA. Das ist quasi das, was bei uns die Zielvorgabe beim kritischen Wohnungsbrand ist. Zwar können die Gemeinden in den USA letztendlich auch die Ziele festlegen, die sie gerne möchten aber die NFPA 1720 zeigt zumindest mal das Bild wie es sein sollte. Wie ich auf das Thema gekommen bin? Jeden Monat gibt es Beiträgein den Medien bei denen das Personalprobleme in den Feuerwehr angesprochen wird, vorzugsweise im ländlichen Raum und kleineren Städten. Da hat es mich einfach mal interessiert wie es in einem Land wie den USA aussieht, da es dort auch ein haupt- und ehrenamtliches System gibt.
Auf Seite 1720-7 des Dokuments ist die wichtigste Tabelle dargestellt. In dieser ist festgeschrieben wieviel Personal in welcher Zeit vor Ort sein muss. Darüber hinaus ist auch definiert wie hoch die Zielerreich sein muss. 90% bedeutet beispielsweise, dass bei 9 von 10 Einsätzen, das vorgeschriebene Personal in der vorgeschriebenen Zeit an der Einsatzstelle sein muss. Das sind genau die Angaben, die man auch in unseren Breitengraden im Feuerwehrbedarfsplan findet.
Als Ausgangslage wird ein Feuer in einem zweistöckigen Einfamilienhaus mit 186 m² angenommen, das nicht unterkellert ist. Die genannten Zeiten beziehen sich nach meiner Interpretation auf die Zeit ab Alarmierung, so verstehe ich zumindest “completion of the dispatch notification”.
Städtische Bereiche, strenger als in Deutschland
Fangen wir mal mit den Ähnlichkeiten an. Wenn mehr als 1.000 Einwohner auf einer Quadratmeile wohnen, spricht man in dem Dokument vom “Urban area” also städtische Bereiche. Umgerechnet auf km² sind das 388 Einwohner pro km². Wenn Ihr wissen wollt wo sich Eure Gemeinde befindet, einfach mal auf Wikipedia nach dem Ortsnamen suchen. Im rechten Kasten findet Ihr dann die Info zur Bevölkerungsdichte. Zum Vergleich: Kreisfreie Städte im Bereich 30.000 bis 50.000 Einwohner sind ungefähr in dem Bereich angesiedelt. Hier müssen in den USA nach neun Minuten 15 Feuerwehrkräfte am Einsatzort sein. Das ist strenger als bei uns, da hier der vollständige Löschzug (16 Funktionen) erst nach 13 Minuten vor der Tür stehen muss. Die Zielerreichung in den USA sollte bei 90 % liegen.
In ländlichen Bereichen wirds mau
Mit sinkender Einwohnerzahl gehen dann auch die Mindestanforderungen für das Personal nach unten und die Eintreffzeiten nach oben. Hier Unterscheidet man zwischen Vororten (Suburban area) und ländlichen Bereichen (Rural area). Im ländlichen Bereicht mit einer Einwohnerzahl von mindestens 200 Menschen pro km², wird nur noch eine Staffel als Mindestplanungsgröße gefordert. Diese muss nach 14 Minuten vor Ort sein in 80% der Fälle. Bei uns sind das dann Gemeinden die sich irgendwo bis zu 5.000 Einwohner tummeln. Die Arbeitsaufteilung mit der Staffel ist in diesem Fall: 1 Trupp im Innenangriff, einer außerhalb, ein Maschinist und ein Einsatzleiter.
Wen man ganz weit weg wohnt…
…kann es echt lange dauern. Diese Gebiete nennen sich “Remote Area” und sind 12,8 km von einer Feuerwehrstation entfernt. Hier kommen dann nur noch vier Feuerwehrkräfte als Untergrenze in den Einsatz. Die Eintreffzeit bemisst sich nach der Formel:1,7 x Entfernung + 0,65. Ist mein Haus 14 Kilometer von der Feuerwehr entfernt muss sie nach knapp 25 Minuten vor Ort sein. Taktisch gesehen geht dann ein Trupp in den Innenangriff, ein Trupp bleibt außerhalb und übernimmt Sicherungs- und Unterstützungsaufgaben. Nicht zu vergessen auch natürlich die Aufgaben des Maschinisten und Einsatzleiters. Dass ganze ist weit weg von dem was wir hier in Deutschland haben.
Die Werte in der NFPA 1720 sind natürlich nur Richtwerte und müssen bei erhöhten Risiken angepasst werden, aber sie zeigen doch recht deutlich, dass die Zielvorgaben sehr stark von der Bevölkerungsdichte abhängt. In Deutschland verfolgen wir ja einen etwas anderen Ansatz. Unabhängig von der Einwohnerdichte gilt erstmal eine Hilfsfrist die für alle gleich ist, egal ob man in der Großstadt oder auf dem platten Land wohnt. Langfristig wird man sich aber sicherlich Gedanken machen müssen ob das so haltbar ist. Ich persönlich finde einen risikobasierten Ansatz wie ihn die USA ha,t nicht schlecht. Außerdem gibt es auch technische Entwicklungen die, die Arbeit der Feuerwehr begünstigen. Ob Wärmebildkamera oder Rauchmelder für ein paar Euro, das alles sind Hilfsmittel die vor 30 oder mehr Jahren in der Fläche noch kaum vorstellbar waren. Diese Weiterentwicklungen wirken sich auf positiv auf die Überlebenschancen bei einem Brand aus.
Wie seht ihr das, findet Ihr unterschiedliche Hilfsfristen gerechtfertigt oder befürwortet Ihr ein System das für alle gleich ist?