Schnell oder schonend? Das ist die Frage bei vielen Verkehrsunfällen wenn es um die Patientenrettung geht. Bei den Übungen wird oftmals nur die schonende Variante geübt, was zu falschen Prioritäten an der Einsatzstelle führen kann.
Wenn ich so an meine früheren Übungen zum Thema Verkehrsunfall zurück denke so sind mir da mahnenden Worte wie “keine Erschütterungen”, “kein Krach” und “auf die Wirbelsäule achten” immer noch im Kopf. Auch die damaligen praktischen Übungen waren sehr auf diese Worte zugeschnitten. Da hat man ganz behutsam mit Schere und Spreizer gearbeitet, in mühevoller Arbeit die Frontscheibe entfernt, die Seitenscheiben mit Klebeband vollgekleistert und lange am Patienten rumgefummelt bis man ihm das Rettungs-KED angelegt hat. Da jeder bei der Übung auch mal was tun wollte, hat man dann noch kräftig am Unfallfahrzeug rumgenschnitten und das halbe LF ausgeräumt um alle Geräte mal auszuprobieren. Das hat dazu geführt, dass man als Feuerwehrler dazu tendiert hat maximal behutsam und sehr geräteintensiv zu arbeiten. Klar, die Crash-Rettung gabs damals auch schon, aber bei den Übungen hat man fast immer die lange und sanfte Variante geübt mit dem Ziel möglichst dem Patienten keinen Querschnitt zuzufügen.
Irgendwie hat man da aber das eigentliche Ziel aus den Augen verloren hat. Natürlich ist die behutsame Rettungsvariante eine wichtige Option, oftmals aber auch in Verbindung mit wenig deformierten Fahrzeugen. Da wird die Türe entfernt, dann das Dach, und meistens wars das auch schon. Genau diese Variante wird bei vielen Feuerwehren standardmäßig trainiert, obwohl ich hier zum einen eine einfachere Ausgangssituation habe und andererseits auch mehr Zeit.
Golden Hour Of Shock
Schwieriger wirds dann bei der zweiten Variante. Ist das Fahrzeug stark deformiert gehts dem Patienten im Fahrzeug in der Regel auch nicht mehr so gut, ich muss in dem Fall also schauen dass der Kandidat möglichst zügig aus dem Fahrzeug kommt. In dem Zusammenhang wird oftmals von der Golden Hour Of Shock (kurz: Golden Hour) gesprochen. Das heißt der Patient sollte eine Stunde nach dem Unfallereignis im Krankenhaus liegen.Warum gerade eine Stunde? Es geht hier nicht um ein paar Minuten hin oder her, aber es ist nun mal so, dass bei lebensgefährlich verletzten Patienten die Blutversorgung oftmals ein Problem ist. Durch diesen Schock sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit mit zunehmender Zeit. Aus diesem Grund ist der schnelle Abtransport ins Krankenhaus für die Überlebenschancen sehr wichtig. Der oben dargestellt Kreis soll diese Golden Hour Of Shock darstellen. Die ersten 20 Minuten sind schon mal für Notruf, Alarmierung und Anfahrt weg.
Wenn man davon ausgeht, dass schwere Verkehrsunfälle häufiger auf Autobahnen und außerhalb von Ortschaften auftreten, sind diese 20 Minuten wohl eher noch als Untergrenze anzusehen. Am Ende vom Kreis muss man nochmal 20 Minuten für die Patientenübergabe und den Transport ins Krankenhaus reservieren. Bleibt also für uns als Feuerwehr nur ein Tortenstück mit 20 Minuten übrig. In dieser Zeit muss die Verkehrsabsicherung erfolgen, Unterbau, Erstversorgung durch den Rettungsdienst, die eigentliche Rettung, etc. Bleibt also nicht mehr viel vom Zeitkuchen für uns übrig.
Auf die schnelle Rettung muss man vorbereitet sein
Was heißt die Golden Hour of Shock nun für die Feuerwehr? Man sollte sich im Vorhinein schon mal Gedanken machen wie man die beiden Einsatzszenarien Crash- und schonende Rettung abarbeitet und wo man sinnvollerweise Zeit sparen kann. Einfach mal in aller Ruhe vor das eigene HLF und ein Schrottauto stellen und überlegen wie man die Zeit optimieren kann. Daneben hilft ein Blick in die Fachliteratur, denn hier stehen wertvolle Tipps was man besser machen kann. Auch Patrick von thl.info hat in diesem Beitrag einige Punkte aufgezählt die helfen das Ganze zu verbessern.
Daneben sind mir noch die folgenden Punkte eingefallen:
Beladung der Feuerwehrfahrzeuge
Wie schaut bei Euch die Beladung von LF und RW aus? Sind die Geräte zu sinnvollen Gruppen zusammen verlastet oder muss man für jedes Einzelteil ums ganze Fahrzeug springen? Sind die Gerätschaften in Boxen bzw. Taschen zusammen gefasst, so dass man mit einem Handgriff gleich mehrere Dinge ans Unfallfahrzeug bringen kann ohne etwas zu vergessen?
Nicht spielen sondern erledigen
Nicht immer muss man, das volle Programm machen um ans Ziel zu kommen. So kann man beispielsweise die Frontscheibe einfach nur quer durchsägen, anstatt sie komplett zu entfernen. Oftmals kann man auch beobachten, dass man als Trupp sich in eine Sache festbeißt und unbedingt den eingeschlagenden Weg gehen möchte. Wenn die Türe sicht nur schwer an den Scharnieren entfernen lässt, biege ich sie halt nur um und gut ist. Nicht optimal, aber besser als wertvolle Zeit zu verlieren.
Parallel arbeiten
Beim Verkehrsunfall sollte ja standardmäßig ein zweiter Rettungssatz vor Ort sein. Der muss sein Dasein nicht nur als Ausfallreserve fristen, sondern kann bei zeitkritischen Einsätzen auch parallel eingesetzt werden. Spätestens dann sollte man aber einen weiteren Rettungssatz sicherheitshalber nachalarmieren.
Realistische Übungsszenarios
Wie Eingangs schon erwähnt. Während des Übungsbetriebs nicht nur die “wir-haben-mit-dem-Löschzug-eine-Stunde-Zeit Variante üben, sondern auch die “wir-haben-nur-ne-Gruppe-und-20-Minuten-Zeit” Version trainieren.
Plan B und C überlegen
Wenn das Standardfverfahren nicht klappt ist es als Gruppenführer wichtig wenn man auch entsprechende Alternativen in der Hinterhand hat. Die kann man, bei ausreichender Personalreserve, auch schon mal aufbauen lassen. So beispielsweise die Säbelsäge oder den größeren Spreizer vorbereiten.
Wie schauts bei Euch aus? Wird die schnelle Rettung beim Verkehrsunfall regelmäßig geübt und ist Euch der Begriff Golden Hour Of Shock schon mal über den Weg gelaufen?