Was Erwartet die Bevölkerung von Feuerwehr und Rettungsdienst? Letzte Woche ist mir das bei einer verletzten Person wieder mal bewußt geworden.
Letzten Freitag bin ich in der Früh zum Münchner Hauptbahnhof gelaufen. Auf dem Weg dorthin lag vor einem Sexshop ein Mann am Boden. Drei Passanten kümmerten sich schon eifrig um ihn. Ist ja schon mal sehr erfreulich, dass Leute hier tätig werden. Ich bin dazu, habe gefragt ob ich helfen kann und habe dann dem Herrn am Boden ein wenig das Händchen gehalten. Der war sturzbetrunken, aus Finnland und hatte scheinbar mit dem Kopf gebremst. War aber alles halb so wild. Auf die Frage ob der Rettungsdienst schon verständig ist, antwortete eine hilfsbereite Dame mit ja. Prima dann ist eigentlich nur noch Warten angesagt und ein wenig gucken ob unser Touri am Boden noch schnauft. Nach ein paar Minuten begann die Dame zu quengeln. „Ich hab schon vor zehn Minuten angerufen und immer noch ist keiner da“. Ich konnte das jetzt nicht überprüfen weil ich ja dazu gekommen bin, allerdings sind zehn Minuten jetzt nichts Außergewöhnliches. Irgendwann hat man von der Ferne dann schon das tröten vom Berufsfeuerwehr RTW gehört. Langsam kam der die Straße entlang und fuhr mit viel Trara an uns vorbei. Fand ich jetzt nicht so schlimm, da ich ja selbst nicht so der Straßenkenner bin 🙂 aber die Passanten sind richtig aggressiv geworden. „Mensch sind die Feuerwehrler Deppen, fahren einfach vorbei!“. „Haben die de kein Navi?“, „Mann, muss man sich da auf die Straße werfen damit die anhalten?“. Einer der Lebensretter ist dann losgetigert und wollte dem RTW sagen, dass er falsch ist. Nach ein paar Minuten kam er wieder mit dem Hinweis „hmm, war wohl ein anderer Einsatz“. Aha, sind die Feuerwehrler scheinbar gar nicht so doof. Im Hintergrund hat man dann wieder ein weiteres Elektrohorn gehört. Um auf Nummer sicher zu gehen habe ich diesmal einen der Passanten gebeten auf die Straße zu gehen um Einweiser zu spielen. Und siehe da, hat wunderbar geklappt. Unser Finne war auch schon wieder so fit, dass er mit Unterstützung zum Rettungswagen wackeln konnte und ich bin weiter Richtung Hauptbahnhof marschiert.
Warum ich das alles erzähle, weil mir durch die Reaktion der Passanten erst mal wieder klar geworden ist, welche extreme Erwartungshaltung die Bevölkerung an uns hat. Noch viel schlimmer: Die Passanten waren nicht nur kritisch sondern (verbal) aggressiv und das nur weil der RTW ein Stück weiter gefahren ist, was ja letztendlich auch korrekt war.
Die Frage ist, was können wir als Feuerwehr mit einer solchen Situation machen?
Verhalten von Schlüsselpersonen
Schlüsselpersonen sind für mich Einsatzkräfte die Kontakt zum Hilfesuchenden oder den Angehörigen haben. Das kann der Zugführer, Einsatzleiter oder Rettungsassistent auf dem RTW sein. Wenn der Patient nicht gerade mit einer Schlinge um den Hals am Baum baumelt, kann man sich ja erst Mal vorstellen und die Hand geben. Das macht schon mal einen viel besseren Eindruck wie wenn man muffelig auf die Leute zukommt und ein „was ist los“ heraus brummelt oder überhaupt nichts sagt. Der erste Eindruck zählt, das ist nicht nur im Bewerbungsgespräch wichtig sondern auch gegenüber unseren Kunden.
Auftreten an der Einsatzstelle
Jeder Einsatzkraft muss bewusst sein, dass wir an der Einsatzstelle unter ständiger Beobachtung stehen. Daher sollte man sich auch so benehmen wie es einer Einsatzstelle würdig ist. Vor allem sollte man, wenn doch mal was schief läuft, auch nicht wie ein gestörter in der Gegend rumschreien. Ich kenne da Feuerwehrkandidaten die immer sehr lautstark Urteilen müssen was denn gerade alles in die Hose geht. Wenn man als Passant solch einen krakeelenden Feuerwehrler beobachtet sorgt das natürlich nicht dafür, dass die Kompetenz der Einstzkräfte in den Augen der Beobachter steigt. Also einfach mal die Klappe halten und Dinge die nicht so doll gelaufen sind im aller Ruhe im Feuerwehrhaus besprechen.
Üben, üben, üben
Stellt Euch mal vor bei den oben genannten Passanten müsst Ihr eine Steckleiter aufstellen, das Rollgliss an der DLK montieren oder die Trage aus dem RTW holen. Und dann klappt es einfach nicht. Daher die dringende Bitte: Übt Standardabläufe so, dass sie in Fleisch und Blut übergehen. Stress und eine kritische Horde von wildgewordenen Passanten ist nämlich ein denkbar schlechter Zeitpunkt um zu überlegen wie das nochmal funktioniert hat.
Realistisch darstellen was man kann
Diesen letzten Punkt sehe ich als besonders wichtig an und ist ein Thema das ich schon oft genug angesprochen habe. Die Feuerwehr und in letzter Instanz natürlich dann auch die Politik, muss transparent darstellen was die Feuerwehr überhaupt leisten kann. Wie oft erreichen wir unsere gesteckten Ziele? Wie lange brauchen wir und mit wieviel Einsatzkräften schlagen wir auf? Was für eine Aktiengesellschaft die Umsatz- und Gewinnzahlen sind, ist für eine Feuerwehr die die Zielerreichung bei Einsätzen. Wem die Kennzahlen nicht passen, kann sich dann bei seinem Stadtrat oder Oberbürgermeister beschweren. Was mich wundert warum viele Feuerwehren dies gar nicht wollen. Aber warum sollten wir als Feuerwehr eine Leistung suggerieren die wir tatsächlich gar nicht erbringen können? Auf dem platten Land steht halt nicht, wie in der Großstadt, nach zehn Minuten ein kompletter Löschzug vor der Tür. Das ist nicht schlimm, muss nur halt gesagt werden.
Ich hoffe diese Zeilen machen nochmal klar wie wichtig professionelles Auftreten in der Öffentlichkeit ist. Unser Job ist mit der Fülle an Aufgaben schon herausfordernd genug, wenn dann noch kritische Passanten dazu kommen macht es die Sache nicht einfacher. Auch der Brand in Saarbrücken mit den toten Kindern hat gezeigt wie schnell man als Feuerwehr in die Kritik kommt und genau dann ist es wichtig wenn man mit ruhigem Gewissen sagen kann, dass man alles Mögliche getan hat.
Wie sind Eure Erfahrungen bei Einsätzen? Welche Erlebnisse hattet Ihr schon bei denen Passanten extrem kritisch waren?